Mittwoch, 14. März 2012

Im Märzen der Bauer ...

Als ich heute nachmittag im Frühlingsonnenschein mit der Mistgabel im Paddock unserer Pferde stand und über die Heuwiesen schaute, auf denen das erste frische Gras sprießt, musste ich an das Lied denken, mit dem ich aufgewachsen bin und das andere in meinem Alter vielleicht auch noch kennen:


1. Im Märzen der Bauer
    Die Rößlein einspannt,
    Er setzt seine Felder
    Und Wiesen in Stand.
    Er pflüget den Boden,
    Er egget und sät
    Und rührt seine Hände
    Früh morgens und spät.
2. Die Bäu'rin, die Mägde,
    Sie dürfen nicht ruh'n,
    Sie haben in Haus
    Und Garten zu tun.
    Sie graben und rechen
    Und singen ein Lied,
    Sie freu'n sich, wenn alles
    Schön grünet und blüht.
3. So geht unter Arbeit
    Das Frühjahr vorbei,
    Da erntet der Bauer
    Das duftende Heu.
    Er mäht das Getreide,
    Dann drischt er es aus,
    Im Winter da gibt es
    Manch fröhlichen Schmaus.




Und nicht nur dieses Volkslied fiel mir ein, ich musste auch daran denken, wieviel schöner und idyllischer unsere Agrarlandschaft zu der Zeit war. Es gab kleine Felder auf denen viele verschiedene Feldfrüchte wuchsen, die Felder durften krumm und schief sein und Bäume durften dazwischen wachsen. Man konnte im Sommer Kornblumen, Klatschmohn und Kamille pflücken und kleine Feldwege und Bächlein schlängelten sich zwischen den einzelnen Parzellen hindurch. Aber dann kam die Zeit der großen Maschinen, und kleine Felder wurden unpraktisch und unwirtschaftlich. Also gab es eine Flurbereinigung. Felder und Waldrand wurden begradigt und Felder wurden zusammengelegt und einheitlich bestellt, damit sich der Einsatz von Maschinen lohnt. Bäche verschwanden genau so wie die wilden Blumen, die auf einmal Unkraut waren. Statt eines bunten Flickenteppichs aus Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Kartoffeln, Zuckerrüben und Runkelrüben wird die Landschaft in meinem Teil Deutschlands heute hauptsächlich von Maisfeldern bestimmt. In meiner Kindheit gab es hier noch keinen Mais. Die Kühe fraßen das Gras auf den Weiden oder Heu, keine Maissilage. Sie wohnten unter einem Dach mit dem Bauern auf der Tenne, direkt neben der Küche und wurden von Hand gemolken. Und sie hatten Namen. Und ja, der Bauer hieß Bauer, nicht Landwirt und schon gar nicht Agrarökonom.

1979 ging das Lied dann so:

Im Märzen der Bauer den Traktor anläßt
und spritzet sein Ackerland emsig und fest.
Kein Räuplein, kein Kräutlein dies Gift überlebt,
dem Vöglein im Wald gar das Mäglein sich hebt.
Im Sommer der Bauer die Säcklein entleert
und dünget die Früchte, von denen man zehrt.
Er weiß, wie man dünget, ja aus dem Effeff
von Bayer, von Hoechst und von BASF.
Im Herbst dankt der Bauer der Tiermedizin.
Die Milch wird nicht sauer vor Penecillin.
Die Schweine sind fettarm und lang wie noch nie?
zum Ruhm und zur Ehre der Biochemie.
Im Winter der Bauer sein Scheckbüchlein nimmt,
mit Weib und mit Kind den Mercedes erklimmt.
Er fährt in die Kreisstadt - er ist ja nicht dumm,
und kauft im Reformhaus - er weiß schon, warum.


Es ist schon klar, dass die Entwicklung zur modernen Landwirtschaft zum Teil notwendig war. Schließlich sind immer mehr Menschen zu ernähren. Und ich bin auch nicht sicher, ob ich der Bauer sein möchte, der seine Hände von früh bis spät rühren muss.  Aber geht es denn wirklich nicht ein wenig tier- und naturfreundlicher?

Ich denke, ein großer Teil des Problems ist unser Konsumverhalten. Wir wollen von allem viel und das sofort und wann immer es uns in den Sinn kommt. Muss man im Winter denn Erdbeeren essen? Dies ist nur ein Beispiel von unzählig vielen. Und muss unbedingt so viel Essen weg geworfen werden? Da fehlt es so oft an Achtsamkeit für unsere Lebensmittel.

Ich habe das große Glück, nicht mehr zu den Generationen zu gehören, die im Krieg hungern mussten, aber ich bin von diesen Generationen erzogen worden, und auch das ist ein Glück. Es wird grundsätzlich kein Essen weg geworfen, sondern Reste kommen in eine Pfanne, eine Salatschüssel oder eine Auflaufform, und ergeben mit etwas Kreativität eine weitere wunderbare Mahlzeit. Und auf Erdbeeren freue ich mich gerade weil es sie nur im Frühsommer gibt. Im Winter esse ich Äpfel und Birnen. Und auch kein Sommergemüse, sondern Kohl und Feldsalat.

Dieses Leben im Einklang mit den Jahreszeiten ist voller Genuss und außerdem gesund. Und was man nicht immer hat, genießt man doch um so intensiver.

Ja, ich gebe zu, ich habe oft Heimweh nach einer Zeit, in der der Bauer noch die Rößlein einspannte. Sie wird nicht zurück kommen, aber die wachsende Zahl der Biohöfe zeigt, dass ich nicht allein Sehnsucht habe, nach einer heileren Agrarlandschaft.

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