Sonntag, 26. Februar 2012

Der Traum vom leeren Schreibtisch

Kennst du das auch, dass sich auf dem Schreibtisch wie von selbst ganze Lawinen von Papier ansammeln? Sie bilden Stapel, die so lange wachsen bis sie umkippen. Ein Stapel türmt sich neben dem anderen auf, und bald ist nur noch eine winzige Fläche zum Arbeiten frei. Aber nicht nur der Platzmangel erschwert das zügige und freudige Arbeiten und erstickt jede Kreativität im Keim, sondern die Stapel fordern deine Aufmerksamkeit und produzieren ein schlechtes Gewissen, und daraus entsteht sehr ungesunder Stress. Wie also kann man den Schreibtisch auf möglichst einfache Art und Weise entstapeln? Das Beste wäre, wenn weniger Papier hereinkäme, aber das ist ja nur in Grenzen zu realisieren. Zum Beispiel können wir durch einen entsprechenden Aufkleber auf dem Postkasten die Flut unwillkommener Werbung stoppen. Aber selbst wenn wir dies tun, findet noch reichlich Papier den Weg zu unserem Arbeitsplatz. Also gilt es, eine effektive Methode zu finden, damit umzugehen.

Ich probiere gerade etwas aus, dass ich vor Jahren mal in "Simplify your Life" gelesen habe. Und zwar habe ich sieben recht große Kisten angeschafft und folgendermaßen beschriftet:

1. Eingang
2. Vorpapierkorb
3. Papierkorb
4. Lesen
5. Ablegen
6. Erledigen
7. Ausgang

Sie sehen gar nicht einmal so schlecht aus, und sie lassen sich stapeln, so dass sie auch nicht allzu viel Platz wegnehmen. Kisten 1 und 7 stehen an der Tür meines Arbeitszimmers, 2 und 3 links von meinem Schreibtisch und der Rest rechts von meinem Schreibtisch. In Kiste Nummer 1 landet, wie der Name schon sagt, jedes Stück Papier, dass ins Haus kommt, ganz gleich, was es ist. Das nehme ich so bald wie möglich heraus und sehe es durch. Je mehr sofort im Papierkorb landet, umso besser. Dazu gehört z.B. Werbung und ähnliches, aber auch die Umschläge von Briefen, die beantwortet werden müssen. In den Vorpapierkorb wandert das, was für eine kurze Zeit aufbewahrt, aber nicht auf Dauer abgeheftet werden muss, so wie Rechnungen von Dingen, die ich nicht von der Steuer absetzen kann, aber wo ich erst sichergehen will, ob die Dinge auch funktionieren, bevor ich die Rechnung entsorge. Prospekte, Kataloge und ähnliches, die mich interessieren, lege ich in Kiste 4 ab. Aus dieser Kiste bediene ich mich, wenn ich mal einige Minuten Zeit habe, mit denen ich nichts sinnvolleres anfangen kann, z.B. während ich auf einen Anruf warte. Was gelesen bzw. gesichtet ist, zieht dann weiter in den Papierkorb. Kiste Nummer 5 sollte es eigentlich nicht geben, denn natürlich wäre es ideal, alles Papier, das eh abgelegt werden muss, sofort abzuheften. Aber wer schafft das schon. Schließlich möchte man ja auch nicht eine leistungsstarke kreative Phase für solch eine Routinearbeit nutzen, und ausßerdem gibt es ja meist dringenderes zu Tun. Den Inhalt dieser Kiste sollte man also abarbeiten, wenn man für andere Aufgaben zu müde ist. Viele dieser Dinge kann man sicher digitalisieren, aber das ist ein anderes Thema. In Kiste 6 landet alles, das irgendeine weitergehende Handlung erfordert, so wie Belege für die Steuern, Briefe, die beantwortet werden müssen und unzählige andere Dinge, je nach beruflicher Tätigkeit. Kiste 7 schließlich nimmt das bearbeitete Papier auf, das von da aus zum Ort seiner Bestimmung gelangt, etwa zur Post.

Nachdem ich die Kisten angeschafft hatte, habe ich erst einmal die schon vorhandenen Stapel auf die Kisten verteilt, so dass mein Schreibtisch bis auf eine Schreibtischlampe, mein Etui und eine flache Schale mit Notizpapier leer war (Für PC und Telefon habe ich einen zweiten Schreibtisch). Ich habe ihn abgestaubt und mich an dem herrlichen Anblick erfreut. Nun sind meine Kisten leider, aber mit voller Absicht, durchsichtig, so dass ich weiterhin im Blick habe, wie voll sie sind. Aus den Augen, aus dem Sinn funktioniert hier also nicht, aber das wäre ja auch kontraproduktiv. So aber achtet man von ganz allein darauf, dass sie nicht überlaufen.

Ich kann sagen, dass dieses einfache System für mich bisher sehr gut funktioniert. Der leere Schreibtisch motiviert zum Arbeiten, die Papierstapel haben, so geordnet, sehr an Bedrohlichkeit verloren, und es macht Spaß, die Kisten 3 und 7 zu füllen und die anderen möglichst leer zu halten.

Gern würde ich über deine Ideen dazu lesen.


Donnerstag, 23. Februar 2012

Der innere Rückzugsort

Ich erinnere mich deutlich daran, dass ich schon als Kind einen inneren Rückzugsort hatte, auch wenn ich es natürlich nicht so genannt habe. Wenn ich nicht einschlafen konnte, wenn ich Langeweile hatte, zum Beispiel auf langen Autofahrten, oder wenn es mir nicht so gut ging, habe ich mich in ein wunderbares Land geträumt. Dort gab es aufregende Spielsachen, das leckerste Esssen und vor allem viele Tiere. Es gab sogar ein Pony, das ich reiten konnte, und es gab viele Freunde. Dieses Land gibt es immer noch, aber es hat sich im Laufe der Jahre mit mir und meinen Wünschen verändert. Und es passt sich auch heute noch immer meinen Bedürfnissen an. Mal finde ich dort Natur, wie etwa Strand und Meer oder Wald, mal bin ich in einer Wellness-Oase oder einem genialen Restaurant. Die Möglichkeiten sind endlos.

Vielleicht hast du ja auch solch einen inneren Rückzugsort, oder wenn nicht, magst du dir vielleicht einen erschaffen. Wann immer du dich entspannen möchtest, mach es dir gemütlich. Schalte vielleicht leise Musik ein und zünde eine Kerze an. Dann mach es dir in deinem Lieblingssessel bequem, atme ein paar Mal tief ein und aus und schau mal nach Innen. Was siehst du? Wie sieht der Ort deiner Träume aus? Ist es ein weißer Palmenstrand am türkisblauen Meer oder das Ufer eines klaren Bergsees? Bist du vielleicht auf einer Blumenwiese oder umgibt dich die karge Schönheit der Wüste? Oder befindest du dich vielleicht im Wohnzimmer einer Traumvilla, in einer Blockhütte, inmitten der blühenden Rosen im Garten eines Cottage? Denk daran, dass du den Ort ganz nach deinen Wünschen gestalten kannst. Nimm dir Zeit damit und hab Spaß. Das Gestalten kann ruhig mehrere Sitzungen dauern. Und du kannst auch immer wieder etwas verändern. Interessant ist es auch, sich zu überlegen, wo dieser Ort ist und wie man dorthin gelangt. Vielleicht liegt er tief im Bauch von Mutter Erde und du erreichst ihn mit einem Aufzug oder über eine steinerne Wendeltreppe, die in einer Höhle am Meer beginnt. Oder der Ort befindet sich weit über den Wolken und ein großer Vogel, ein geflügeltes Pferd oder ein Drache trägt dich dorthin. Oder vielleicht öffnet sich einfach irgendeine Tür, ein goldenes Licht schein hindurch und wenn du hindurchtrittst, bist du nicht in deinem Badezimmer oder in deinem Kleiderschrank, sondern an deinem inneren Rückzugsort.

Gestalte deinen persönlichen Ruheort nach Herzenslust. Er wird immer da sein, wenn du Entspannung und Erholung brauchst. Viel Spaß dabei.

Sonntag, 19. Februar 2012

Frühling!

Ja ja, ich weiß, es ist erst Februar und es sind gerade mal 5 Grad. Und für heute nachmittag ist Hagel angesagt. Aber ich schwör's, heute morgen riecht es nach Frühling. Ich hab so dieses schwer zu beschreibende Gefühl, dass ich schon als Kind hatte, wenn der Frühling sich ankündigte. Diesen Impuls, ein paar Sachen in einen Rucksack zu packen und zu einer Wanderung aufzubrechen, einfach so, ohne Plan und Ziel, immer die Straße entlang, die einem am besten gefällt, und dabei alte Wanderlieder singen (Ja, ich bin schon so alt, dass ich sie noch kenne).  Ich habe so etwas leider nie getan, aber ich träume heute noch davon. Ein weiteres Anzeichen ist die Lust auf einen richtigen gründlichen Frühjahrsputz, für den ich leider immer noch zu viel Krempel, Plunder und Ramsch habe.

Aber es geht ja auch alles eine Nummer kleiner. Heute morgen hatte ich Stalldienst, aber wenn es das nächste Mal nach Frühling riecht, werde ich zumindest einen langen Spaziergang machen. Und anstelle des Frühjahrsputzes möchte ich wenigstens meinen Kleiderschrank ausmisten, auswaschen und wieder einräumen. Wenigstens ein kleines Eckchen meiner Wohnung soll richtig strahlen und auch nach Frühling duften. Und wer weiß, wenn ich einmal angefangen habe, bekomme ich vielleicht Lust auf  mehr.

Und welche Vorfreude diese Ahnung von Frühling auslöst. Ich freue mich auf Erdbeeren und Kirschblüten, Krokusse und Löwenzahn, das zarte Grün der Birken und auf die Veilchen am Bach. Und darauf, die dicken Wintersachen einmotten zu können und leichtere Kleidung zu tragen.Vor allem meine Füße genießen jeden Frühling die wiedergewonnene Freiheit in den Sandalen.  Früher bekamen wir Kinder zu Ostern immer neue Kniestrümpfe und die wurden sofort angezogen, ganz gleich wie kalt es noch war. Und anders als heute war es oft noch frisch zu Ostern, denn der Frühling kam später. Aber blaugefrorene Knie waren uns gleichgültig. Die neuen Kniestrümpfe bedeuteten, dass der Winter endlich vorbei zu sein hatte.

Und dieser Winter liegt in den letzten Zügen, das spüre ich deutlich. Mein Pony hat es auch gesagt. Er beginnt, sein Winterfell abzuwerfen, und er hat sich noch nie geirrt.

Freitag, 17. Februar 2012

Veränderung

Veränderung - allein das Wort verursacht bei mir Stress im System. Ich mag Veränderungen nicht, ja ich fürchte sie sogar. Dagegen liebe ich Traditionen und Rituale. Ich langweile mich auch nach zigfacher Wiederholung nicht. Ich wohne schon mein Leben lang im gleichen Haus, höre seit meinem 15. Lebensjahr die gleiche Musik, lese immer wieder die gleichen Bücher, reite immer wieder die gleichen Waldwege entlang usw. Ich liebe es, mehr in die Tiefe zu leben als in die Breite. Ich möchte auch meine Freunde und meine Familie auf ewig behalten, und kann Menschen ganz schlecht loslassen. Was ich hab, das weiß ich, aber ich weiß noch lange nicht, ob etwas Neues auch besser ist. Bis vor einigen Jahren konnte ich auch Dinge nicht aus meinem Leben entlassen, und wenn ich nicht entdeckt hätte, wie wohltuend es ist, zu entrümpeln, wäre ich inzwischen bestimmt ein Messie.


Aber ich habe mir vorgenommen zu lernen, Veränderung zuzulassen und vielleicht sogar irgendwann zu begrüßen. Das heißt nun nicht, dass ich wie ein Fähnchen im Wind von einem Kick zum nächsten wehen will. Oder dass ich einem Einkaufsrausch verfallen will, weil ich ständig neues Zeug brauche. Es heißt vielmehr, Weiterentwicklung zuzulassen. Dabei hilft mir Hermann Hesses wunderbares Gedicht


Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!



Abschied? Neue Bindungen? Nicht mit mir. Auf gar keinen Fall! Abschied ist ein bisschen wie Sterben, oder wie war das noch? Ich will nicht sterben, nicht mal ein bisschen. Aber "lähmende Gewöhnung" und "Erschlaffen" klingt ja auch nicht toll. Und irgendwie ist da auch was Wahres dran. Wann hab ich mich eigentlich zum letzten Mal richtig lebendig gefühlt? Wann war ich wirklich neugierig oder total begeistert? Hmmm. Muss 'ne Weile her sein. Was meint Hesse denn mit "Lebensruf"? Ich könnte mir vorstellen, dass es das Flüstern unserer inneren Stimme ist: "Hey, meinst du nicht, du bist lange genug Beamter gewesen? Du wolltest doch immer schon Rockmusiker sein. Wie lange willst du denn noch warten? Nun raff dich mal auf und kauf dir 'ne Gitarre. Du musst deinen Job ja nicht gleich ganz kündigen. Geh erst mal auf halbe Stelle." Wie? Halbe Stelle? Und wovon soll ich dann leben? Geht nicht. Aus der Traum. Aber Hesse spricht von Tapferkeit. Ja, es kostet Mut, Veränderungen zuzulassen, denn wir sind ja "traulich eingewohnt". Das ist so bequem und gemütlich. Aber er erwähnt auch einen Zauber der uns beschützt, einen Weltgeist, der uns lehrt, zu leben und zu wachsen. Am schönsten finde ich die letzte Strophe. Denn hier wird uns in Aussicht gestellt, dass mit dem Tod nichts endet. Das Leben nicht, aber auch nicht das Lernen und Weiterentwickeln. Wir können uns diesem Strom des Lebens ohne Angst anvertrauen, uns von ihm tragen lassen, und dadurch gesund werden.

Schön, oder? Ich jedenfalls will es versuchen. Morgen reite ich meine Runde mal anders herum.















Mittwoch, 15. Februar 2012

Flucht in andere Welten

In der heutigen Zeit heißt es ja immer, dass man sich der Wirklichkeit stellen muss, dass man nicht davon laufen darf, dass man auf keinen Fall den Kopf in den Sand stecken sollte. Tut man es doch, und sei es auch nur für einen Moment der Erholung, so wird dies geringschätzig als Eskapismus, als Flucht in eine Scheinwelt,  bezeichnet. Nun, ich oute mich als gewohnheitsmäßigen Eskapisten. Ich war schon immer einer und werde wohl auch einer bleiben, und das aus voller Überzeugung.

Um dem Alltag mit seinen Problemen für eine Weile zu entfliehen, tauche ich am liebsten in ein Buch ein. Schon als Kind konnte ich tagelang in meinem Zimmer auf dem Boden oder auf meinem Bett liegen und lesen und alles um mich herum vergessen. Mir ging es wie dem Jungen Bastian Balthasar Bux in Michael Endes Unendlicher Geschichte. Dort heißt es:

"Wer niemals ganze Nachmittage lang mit glühenden Ohren und verstrubbeltem Haar über einem Buch saß und las und las und die Welt um sich her vergaß, nicht mehr merkte, daß er hungrig wurde oder fror -
Wer niemals heimlich beim Schein einer Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen hat, weil Vater oder Mutter oder sonst irgendeine besorgte Person einem das Licht ausknipste mit der gutgemeinten Begründung, man müsse jetzt schlafen, da man doch morgen so früh aus den Federn sollte -
Wer niemals offen oder im geheimen bitterliche Tränen vergossen hat, weil eine wunderbare Geschichte zu Ende ging und man Abschied nehmen mußte von den Gestalten, mit denen man gemeinsam so viele Abenteuer erlebtz hatte, die man liebte und bewunderte, um die man gebangt und für die man gehofft hatte, und ohne deren Gesellschaft einem das Leben leer und sinnlos schien -
Wer nichts von alledem aus eigener Erfahrung kennt, nun, der wird wahrscheinlich nicht begreifen können, was Bastian jetzt tat.
Er starrte auf den Titel des Buches, und ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Das, genau das war es, wovon er schon oft geträumt und was er sich, seit er von seiner Leidenschaft befallen war, gewünscht hatte: Eine Geschichte, die niemals zu Ende ging! Das Buch aller Bücher! Er musste dieses Buch haben, koste es, was es wolle!"

Nun, dies könnte auch mich beschreiben. Natürlich ist es für einen Erwachsenen schwieriger, sich so ganz in einem Buch zu verlieren. Schließlich hat man schon so viel gelesen und ist viel kritischer geworden. Aber gelegentlich gelingt es noch einem Buch, mich wirklich zu fesseln. Und dann bin ich wieder ein begeisterungsfähiges Kind. Noch immer liege ich am liebsten auf meinem Bett (der Boden ist mir inzwischen zu hart), mit etwas Salzigem oder Süßem zum Knabbern und vielleicht einem Glas Wein neben mir. Selten bin ich zufriedener als wenn ich mich nach einem langen Tag in meine Kissen kuschele und das Buch zur Hand nehme, das auf dem Nachttisch auf mich wartet. Manchmal schaffe ich nur zwei Seiten bis mir die Augen zufallen, aber dies gehört zu den schönsten Momenten des Tages. Und noch immer lese ich gern Kinder- und Jugendbücher und schäme mich nicht einmal dafür, sind sie doch besonders geeignet dafür, uns in die Welt der Phantasie zu entführen.





Montag, 13. Februar 2012

Fitness für Faule

Gestern ist mir beim Aufräumen ein längst vergessenes Büchlein in die Hände gefallen mit dem Titel "Joyflexing - Fitness für Faule". Das hatte ich mir vor vielen Jahren mal gekauft, denn - ich muss mich outen - ich gehöre zu den Menschen, die zwar gern straffe Muskeln hätten, aber nicht bereit sind, dafür etwas zu tun. Gymnastik oder Krafttraining sind mir zu langweilig und zu anstrengend, und deshalb habe ich das Buch Ende er 90er Jahre gekauft.

Ich will jetzt hier nicht dieses Buch empfehlen, denn es enthält auf 125 Seiten Informationen, für die 10 Seiten ausgereicht hätten. Aber die beschriebene Methode ist für den ein oder anderen vielleicht interessant.

Der Autor Ray Johnson, selbst auch ein Fitness-Muffel, saß eines Tages im Garten und faulenzte. Nachbars Katze lag neben ihm in der Sonne und döste. Das regte ihn zum Nachdenken an. Wieso können Katzen den größten Teil des Tages genüsslich verschlafen, sind aber sofort topfit und sehr beweglich, wenn sie etwas Interessantes, etwa einen Vogel, sehen? Als Nachbars Katze nach einer Weile aufstand, sich ausgiebig streckte und dabei gähnte, glaubte er, die Lösung gefunden zu haben. Dieses Strecken hält die Körperfunktionen in Gang. Die Muskeln werden angespannt und trainiert, die Lymphe zirkuliert und Giftstoffe werden ausgeschieden. Wäre das Gleiche nicht auch für uns möglich? Wir müssen das ja nicht gerade in Gesellschaft praktizieren, denn wir haben ja schließlich gelernt, dass man sich nicht in der Öffentlichkeit reckt und streckt. Und mit offenem Mund herzhaft gähnen tut man schon erst recht nicht.

Aber zu Hause können wir solche Übungen ganz sicher machen. Aber halt, es sind eigentlich gar keine Übungen, nichts Künstliches, das dem Körper aufgezwungen wird. Wir horchen einfach in den Körper hinein und machen die Bewegungen, die er will und braucht. So können wir zum Beispiel Beine und Arme ganz lang strecken, die Hüften drehen, den Mund ganz weit öffnen usw. Wenn man nur einmal anfängt, verselbständigt sich die Sache sehr schnell undes fällt einem von ganz allein immer mehr ein. Wenn man es richtig macht, folgt ein tiefer Atemzug und ein Gähnen verbunden mit einem sehr deutlichen Wohlgefühl.

Und so etwas soll helfen, Muskeln aufzubauen? Ja, denn diese natürlichen Bewegungen ähneln isometrischene Übungen bzw. können sogar als solche bezeichnet werden. Die Muskeln werden für einen kurzen Moment maximal angespannt, und das lässt sie stärker werden.

Warum bin ich also immer noch so schlaff, obwohl ich das Buch seit 1997 habe? Nicht, weil dieses Fitnessprogramm so anstrengend und langweilig ist, sondern weil ich einfach nicht daran denke, es zu praktizieren. Ich werden mir jetzt überall in meiner Wohnung kleine Zettelchen anpappen mit der Aufschrift FfF. Damit wird es dann wohl klappen.

Samstag, 11. Februar 2012

Handtaschen

Auf meinem Weg zum Minimalismus gibt es einige Stolpersteine, und einer davon sind Handtaschen. Welche Frau hätte nicht gern eine ganze Wand voller Haken mit Handtaschen in den verschiedensten Größen, Farben, Formen und Materialien. Und leider mach ich da keine Ausnahme. Aber das ist ein Wunsch und kein Bedürfnis, und wird dementsprechend schweren Herzens ignoriert. Mein Bedürfnis ist, einen kleinen Teil meines Besitzes mit mir zu führen, wenn ich unterwegs bin, und dafür reicht eine einzige Tasche.

Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis ich mich für das nebenstehende Exemplar entschieden hatte, weil ich ja ein Teil brauchte, das möglichst vielseitig ist. Warum also ausgerechnet diese Tasche? Nun, zunächst einmal ist sie mittelgroß und damit für fast alle Gelegenheiten des täglichen Lebens zu gebrauchen. Dann ist sie grau, eine sehr neutrale Farbe. Meine Lieblingsfarben für Kleidung sind Grau, Blau und ein bläuliches Grün, und diese Tasche passt zu all diesen Farben. Weiterhin ist die Tasche aus einem sehr robusten Leder. Ich hätte aus Überzeugung zwar lieber eine vegane Tasche gehabt, aber dieses Teil ist wahrscheinlich eine Anschaffung fürs Leben. Ja, und dann hat sie mir auf den ersten Blick gefallen. Gerade, wenn man mit möglichst wenigen Dingen auskommen möchte, ist es wichtig, dass diese Dinge schön sind und Freude bereiten. Ich denke, diese Tasche werde ich lieben :).

Dienstag, 7. Februar 2012

Knöllchen

Heute habe ich zum ersten Mal in 30 Jahren ein Knöllchen für zu schnelles Fahren bekommen. (Sieht man auf den Fotos eigentlich immer so dämlich aus?)

Ja, ich muss mich outen - ich bin ein langsamer Fahrer. Ich bin langweilig, uncool und spießig. Nicht so sehr, weil ich mich vor einer Strafe fürchte, sondern weil ich Geschwindigkeit einfach nicht mag. Ich reite auch nicht gern schnell. Nun bin ich aber doch einmal geblitzt worden als ich 7! km/h zu schnell war, 57 statt 50 km/h bin ich gefahren! Warum hat es denn nicht den erwischt, der mich vorgestern an der gleichen Stelle trotz Gegenverkehr mit 100 Sachen überholt hat? Oder den, der mich gestern abend anschieben wollte und mich dabei geblendet hat? Nein, ausgerechnet mich musste es treffen! Zehn Euro muss ich bezahlen. Gut, das ist nicht so schrecklich viel Geld. Aber was könnte ich für diese zehn Euro alles kaufen? Einen halben Sack Pferdefutter oder zehn Dosen Katzenfutter oder ein Kilo feinste Espressobohnen oder 2 Stücke superluxuriöse Lush-Seife oder ... 

"Hey du," unterbricht mich das noch sehr leise Stimmchen der weisen Frau in mir, "reg dich doch nicht so auf. Davon bekommst du kurzfristig Magenschmerzen und auf Dauer noch mehr Falten und graue Haare als du eh schon hast. Du verlierst nicht nur Geld, sondern auch kostbare Augenblicke, die du genießen solltest, und dann bist du doppelt gestraft."

Sie hat ja so Recht, diese Stimme. Ich sollte einmal tief durchatmen, mich entspannen und an etwas Schönes denken. Ärger macht krank und hässlich. Ich bin auch viel zu abgeklärt und weise, um mich über solch eine Kleinigkeit zu ärgern. Es gibt ja so viel Wichtigeres im Leben. Was sind schon zehn Euro? Ich werde sie bezahlen und die Sache vergessen.

Mist, ich ärgere mich trotzdem. Aber hey, jetzt bin ich wenigstens cool, oder?


Montag, 6. Februar 2012

Frühjahrsputz

Wenn der letzte Schnee geschmolzen ist, die Sonne langsam anfängt zu wärmen und ein erstes zartes Grün Bäume und Wiesen schmückt, wenn die Natur beginnt, sich für einen neuen Anfang zu rüsten, dann war früher die Zeit des Frühjahrsputzes gekommen. Das ganze Haus wurde ausgeräumt und von oben bis unten gründlich geschrubbt und gescheuert. Die Strohsäcke wurden geleert und mit frischem, duftendem Stroh gefüllt, die Teppiche, falls überhaupt vorhanden, wurden ausgeklopft, alle Schränke wurden ausgewaschen und ordenlich wieder eingeräumt. Oft wurde das Häuschen sogar frisch gestrichen und getüncht, damit mit der Natur um die Wette in neuem Glanz erstrahlen konnte.

Heute gibt es so etwas nicht mehr. Der Staubsauger, immer ausgefeiltere Geräte zum Wischen, Putzlappen aus Microfaser und unzählige hochspezialisierte Reinigungsmittel ermöglichen es uns, die Wohnung mit relativ wenig Aufwand stets sauber zu präsentieren. Es wird kurz durchgesaugt, über die Oberflächen gewischt, das Waschbecken nach dem Benutzen schnell durchgeputzt und schon glänzt alles wieder. Wie gut wir es doch haben. So ein Frühjahrsputz war sicher sehr anstrengend.

Ganz bestimmt. Aber muss er nicht auch sehr befriedigend gewesen sein? Wie befreiend muss es gewesen sein, all den Staub und Mief des langen Winters hinauszukehren. Und wie wundervoll der Duft und Glanz, der die Mühe belohnte. Und setzt so eine Aktion nicht auch ein Zeichen für einen neuen Anfang? Das muss doch auch der Seele gut tun, oder nicht?

Ich jedenfalls wünschte, ich könnte dieses Jahr solch ein Frühjahrsputz starten. Aber leider wäre ich völlig überfordert, denn ich habe immer noch viel zu viel Krempel, der ja dann bewegt werden müsste. Wenn ich nur an meinen Keller denke! Natürlich könnte man die Gelegenheit nutzen und sich ein für alle Mal von all dem Plunder befreien, aber das ist nicht mein Stil. Ich bevorzuge das Entrümpeln in kleinen Schritten, und das praktiziere ich ja auch schon seit einigen Jahren. Wer weiß, vielleicht bin ich ja eines Tages so weit, dass ich einen Frühjahrsputz machen kann, weil ich nur noch die Dinge besitze, die ich wirklich brauche. Ich freue mich schon sehr darauf.

Sonntag, 5. Februar 2012

Schlafende Kätzchen

Heute geht es um Entspannung, und ich möchte nicht viele Worte machen, sondern statt dessen ein Foto sprechen lassen.

Gibt es etwas, das mehr Entspannung und Zufriedenheit ausstrahlt als ein schlafendes Kätzchen? Mir fällt nichts ein, so sehr ich auch nachdenke. Sie liegen da, zusammengerollt und das Köpfchen unter den Schwanz gesteckt oder ganz lang und genüsslich ausgestreckt. Oder sie kuscheln sich zu zweit aneinander, so dass man kaum sieht wo das eine aufhört und das andere anfängt. Berührt man sie leicht, gurren sie sanft und dann geht der Schnurrmotor an. Stress und Nervosität habengegen dieses Geräusch keine Chance. Sie machen sich davon und Friede strömt ein in die Seele.

Betrachte dieses Foto mal für eine Weile und schau, ob du die Entspannung fühlen kannst.





Freitag, 3. Februar 2012

Freiwillige Armut

Das klingt doch als sei es nur etwas für Franziskanermönche oder Idioten, nicht wahr?
Aber es gibt immer mehr Menschen, die daran arbeiten, mit möglichst wenigen materiellen Gütern auszukommen, nicht etwa, um ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen und auch nicht, weil in ihrem Kopf etwas nicht stimmt, sondern weil sie herausgefunden haben, dass es einfach gut tut.

Eine von denen, die schon den Minimalismus lebten bevor er so modern wurde, ist Anne Donath. Als ihre Geschichte vor einigen Jahren durch die Medien ging, nannte Die Zeit sie die Frau, die einfach nur lebt. Sie hat auch ein Buch geschrieben mit dem Titel Wer wandert, braucht nur, was er tragen kann.

Außergewöhnliche Lebensweisen faszinieren mich, und ich bewundere Menschen, die den Mut haben anders zu sein. Anne Donath gehört ganz sicher dazu.

Sie lebt in einem oberschwäbischen Dorf inmitten einer ganz normalen Nachbarschaft mit Einfamilienhäusern. Nur wie sie dort lebt, daran ist nichts "normal". Sie wohnt in einer ca. 16 Quadratmeter kleinen Holzhütte ohne Strom und das Badezimmer enthält einen Wasserhahn, der nur kaltes Wasser liefert, und ein Fußboden-WC. Sie heizt mit einem Holzofen, auf dem sie auch kocht, wenn sie nicht die Feuerstelle vor der Hütte benutzt, sie wäscht sich in einem Eimer und beleuchtet den einzigen Raum mit Kerzen. Bei den Berbern und den Tuareg in Nordafrika hat sie gelernt, wie man am Boden lebt. Möbel mit Beinen gibt es bei ihr nicht. All ihr Besitz passt in eine Kommode und zwei Truhen.

Eine Aussteigerin im eigentlichen Sinne ist Anne Donath aber nicht. Inzwischen ist sie 65 und pensioniert. Aber vorher hat sie als Krankenschwester gearbeitet, allerdings nur durchschnittlich einen Tag in der Woche. Dadurch hatte sie Zeit, Wolle zu spinnen, selbst Schuhe anzufertigen, auf einer Flöte zu spielen, die sie selbst angefertigt hat und für vieles mehr. Sie reist auch weiterhin nach Südeuropa und Afrika und zwar mit dem Fahrrad und dem Zug. Sie lebte von ca 400 € netto im Monat, ist sozial- und krankenversichert und zahlte geringe Steuern.

Für Anne Donath bedeutet dieses Leben ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit von der "Knöpfendrückerwelt" wie sie es selbst nennt. Diese Unabhängigkeit gibt ihr ein gutes Gefühl, auch im Hinblick auf die Zukunft, denn sie weiß, dass sie auch in höherem Alter mit wenig wird auskommen können.

Anne Donath strahlt soviel Zufriedenheit und Gelassenheit aus, dass man sie darum nur beneiden kann, selbst wenn man sich nicht vorstellen kann, ganz so einfach zu leben wie sie. Worum ich sie am meisten beneide ist, dass ihr Leben viel einfacher strukturiert ist als meins. Sie hat nicht hundert Dinge gleichzeitig zu erledigen, sondern kann sich auf das konzentrieren, was ihr und nur ihr gerade wichtig ist. Traumhaft!






Donnerstag, 2. Februar 2012

Der rechte Daumen

Bist du dankbar, dass du einen rechten Daumen hast?

Ich muss gestehen, dass ich bis heute nicht weiter darüber nachgedacht habe. Mein rechter Daumen war halt immer da, und das war selbstverständlich so. Heute ist mir klar geworden, dass er gar nicht so selbstverständlich ist, genau so wenig wie mein linker kleiner Finger, mein rechter großer Zeh und all die anderen Gliedmaßen, die täglich ihren Dienst versehen, ohne besonders beachtet zu werden.

Mein Pferd hat mir beigebracht, meine intakte und funktionstüchtige rechte Hand zu schätzen.

Ich habe mit ihm auf dem Roundpen Clickertraining gemacht. Das liebt er, und er macht es auch sehr gut. Besonders motivierend wirken dabei die Leckerchen, die es nach jeder gelungenen Übung gibt. Nun ist mein Pony lieb, aber leider etwas grobmotorisch, und so hat er meinen Daumen an Stelle des Bonbons erwischt. Unglücklicherweise hat mein Daumen einen ähnlichen Umfang wie so ein Pferdekeks, und so hat Pony zunächst mal gar nichts bemerkt. Aber nach einer Weile hat er sich doch gewundert, dass sich das Ding in seinem Maul bewegte und offensichtlich flüchten wollte. Auch ist er es nicht gewohnt, dass ich schreie, nachdem ich ihn belohnt habe. Also beschloss er, das Maul zu öffnen, und ich konnte mich befreien. Zum Glück hatte ich nur eine leichte Druckstelle. Aber wie leicht hätte er den Knochen durchbeißen können! Erst in dem Moment wurde mir ganz klar, wie hilflos ein Mensch ohne Daumen wäre. Unsere Hände wären ja gar keine richtigen Hände ohne die Daumen. Nur mit ihnen können wir richtig greifen, und diesen Vorteil teilen nur ganz wenige Tiere mit uns.

Was für Wunderwerke sind unsere Hände. Und was können wir doch alles mit ihnen tun. Ich hoffe, dass ich das nie wieder vergessen werde. Denn sonst muss mein Pferd mich noch einmal beißen.