Mittwoch, 15. Februar 2012

Flucht in andere Welten

In der heutigen Zeit heißt es ja immer, dass man sich der Wirklichkeit stellen muss, dass man nicht davon laufen darf, dass man auf keinen Fall den Kopf in den Sand stecken sollte. Tut man es doch, und sei es auch nur für einen Moment der Erholung, so wird dies geringschätzig als Eskapismus, als Flucht in eine Scheinwelt,  bezeichnet. Nun, ich oute mich als gewohnheitsmäßigen Eskapisten. Ich war schon immer einer und werde wohl auch einer bleiben, und das aus voller Überzeugung.

Um dem Alltag mit seinen Problemen für eine Weile zu entfliehen, tauche ich am liebsten in ein Buch ein. Schon als Kind konnte ich tagelang in meinem Zimmer auf dem Boden oder auf meinem Bett liegen und lesen und alles um mich herum vergessen. Mir ging es wie dem Jungen Bastian Balthasar Bux in Michael Endes Unendlicher Geschichte. Dort heißt es:

"Wer niemals ganze Nachmittage lang mit glühenden Ohren und verstrubbeltem Haar über einem Buch saß und las und las und die Welt um sich her vergaß, nicht mehr merkte, daß er hungrig wurde oder fror -
Wer niemals heimlich beim Schein einer Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen hat, weil Vater oder Mutter oder sonst irgendeine besorgte Person einem das Licht ausknipste mit der gutgemeinten Begründung, man müsse jetzt schlafen, da man doch morgen so früh aus den Federn sollte -
Wer niemals offen oder im geheimen bitterliche Tränen vergossen hat, weil eine wunderbare Geschichte zu Ende ging und man Abschied nehmen mußte von den Gestalten, mit denen man gemeinsam so viele Abenteuer erlebtz hatte, die man liebte und bewunderte, um die man gebangt und für die man gehofft hatte, und ohne deren Gesellschaft einem das Leben leer und sinnlos schien -
Wer nichts von alledem aus eigener Erfahrung kennt, nun, der wird wahrscheinlich nicht begreifen können, was Bastian jetzt tat.
Er starrte auf den Titel des Buches, und ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Das, genau das war es, wovon er schon oft geträumt und was er sich, seit er von seiner Leidenschaft befallen war, gewünscht hatte: Eine Geschichte, die niemals zu Ende ging! Das Buch aller Bücher! Er musste dieses Buch haben, koste es, was es wolle!"

Nun, dies könnte auch mich beschreiben. Natürlich ist es für einen Erwachsenen schwieriger, sich so ganz in einem Buch zu verlieren. Schließlich hat man schon so viel gelesen und ist viel kritischer geworden. Aber gelegentlich gelingt es noch einem Buch, mich wirklich zu fesseln. Und dann bin ich wieder ein begeisterungsfähiges Kind. Noch immer liege ich am liebsten auf meinem Bett (der Boden ist mir inzwischen zu hart), mit etwas Salzigem oder Süßem zum Knabbern und vielleicht einem Glas Wein neben mir. Selten bin ich zufriedener als wenn ich mich nach einem langen Tag in meine Kissen kuschele und das Buch zur Hand nehme, das auf dem Nachttisch auf mich wartet. Manchmal schaffe ich nur zwei Seiten bis mir die Augen zufallen, aber dies gehört zu den schönsten Momenten des Tages. Und noch immer lese ich gern Kinder- und Jugendbücher und schäme mich nicht einmal dafür, sind sie doch besonders geeignet dafür, uns in die Welt der Phantasie zu entführen.





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